Warum Sprachen lernen?
Wenn Sie sich mit Vokabeln, fremdsprachlicher Grammatik und seltsamen Lauten schwer tun, dann werden Sie jetzt seufzend der Frage zugestimmt haben. Ja, warum eigentlich Sprachen lernen oder womöglich noch Sprachen studieren? Die ganze Welt spricht Englisch – na gut, um diese eine Fremdsprache kämen Sie also nicht drumherum –, und Maschinenübersetzungen und Künstliche Intelligenz sind auf dem Vormarsch; bald werden die C3POs dieser Welt für uns die ganze Spracharbeit erledigen, wenn etwas anderes als Englisch gesprochen wird. Vielleicht. Aber das ist nicht dasselbe.
Sprachen lernen und die Welt entdecken
In der Wirtschaft heißt es so schön: Man kauft in seiner Sprache, aber man verkauft in der Sprache des Gegenübers. Natürlich sprechen mittlerweile viele Menschen Englisch, aber für viele ist die Sprache Mittel zum Zweck, ein Verständigungs- und Karrieremittel. Was sich dahinter für eine Geisteshaltung, Identität, Geschichte und Kultur verbirgt, bleibt einem verborgen. Das erfährt nur derjenige, der die Sprache spricht und sich dadurch diese Welt erschließen kann.
Diagnose polyglott und bibliophil
Ich sammle diese Schlüssel, auch wenn viele etwas vernachlässigt vor sich hinrosten. Seit der Schulzeit liebe ich Sprachen und seit der Oberstufe insbesondere alte Texte – und wenn ich sage „alt“, meine ich nicht Interneteinträge von vor einer Woche, sondern Literatur und Texte aus den Jahrhunderten vor ca. 1500, am liebsten zwischen 800 und 1300.
Schule
Meine Mutter hatte in meiner Schulzeit wohl Angst, dass ich mit Leistungskursen in Englisch und Französisch in der Oberstufe nicht ausgelastet wäre, und meldete mich für die dritte Sprache, nämlich Latein, an. Das war ein lustiger Kurs, aber ich glaube, als Lateinlehrer/in muss man ohnehin den notwendigen Galgenhumor mitbringen, um dieses Fach zu unterrichten. Aber von da an ging es bei mir unaufhaltsam mit dem Sprachensammeln weiter.
Studium
Aus lauter Spaß an der Freude habe ich an der Uni dann gleich mein Kleines Latinum auf ein Großes Latinum erweitert, wahrscheinlich weil ich mit Anglistik und Romanistik als Studienfächer (neben Wirtschaftswissenschaften – irgendetwas Handfestes musste ja dazu) nicht ausgelastet war. Wahrscheinlich hatte ich mittlerweile dieselben Befürchtungen wie meine Mutter einige Jahre zuvor.
Als der Lateinkurs dann erledigt war, hatte ich wieder so viel Zeit und Hirnmasse übrig. Also probierte ich ein Semester Russisch, was mit seinen Kringelbuchstaben zwar unterhaltsam, aber für nebenher aufgrund der Grammatik doch ein bisschen happig war. Meine Wahl fiel dann auf Spanisch, das sich aufgrund meiner romanistischen Vorbelastung gut mit den restlichen Sprachen vereinbaren ließ.
In einem Auslandssemester in Schottland musste ich natürlich unbedingt Gàidhlig, Schottisches Gälisch, ausprobieren. Eine herrliche Sprache, die so richtig nach Lust und Laune knackt und kracht. Ein Semester war wirklich zu wenig, aber die Alma Mater rief mich wieder zurück.
Dort beschäftigte ich mich intensiver mit dem, was zumindest zeitlich zwischen Latein und meinen anderen Sprachen liegt, nämlich Alt- und Mittelenglisch sowie Altfranzösisch. Da wusste ich, was mir in all den literatur- und sprachwissenschaftlichen Stunden bis jetzt entgangen war! Hier gab es nicht nur weitere ältere Sprachen, sondern auch völlig andere Texte zu entdecken, die noch dazu zum größten Teil erfrischend kurz und daher gut verdaulich waren.
Promotion
Genau diese Texte nahm ich mir als Untersuchungsgegenstand meiner Dissertation vor, und weil ich mit Älterer englischer, französischer und deutscher Sprach- und Literaturwissenschaft nicht aus…, naja, Sie wissen schon, vermittelte ich als Lehrbeauftragte für englische Sprachgeschichte nun eigenhändig meine Begeisterung für Sprachen und alte Texte.
Ach ja, und weil das nicht reichte – schon wieder! –, besuchte ich noch den einjährigen Altgriechisch-Kurs, damit mein Latinum auf klassischer Flur nicht so alleine dastand. Kringelbuchstaben und lustige Altphilologen in einem. Herrlich!
Autorenleben
Jetzt stellen Sie sich vor: Während der Arbeit an meinem ersten historischen Roman war sie plötzlich wieder da – die Sache mit der Auslastung. Als wenn Altenglisch und Altfranzösisch nicht genügten, räkelten sich plötzlich noch Normannisch und Bretonisch auf meinem Schreibtisch. Wo die bloß hergekommen waren?
Wie steht es mit Ihrer Begeisterung für Sprachen?
Schreiben Sie in die Kommentare, welches Ihre linguistischen Höhepunkte sind oder noch werden sollen!