Wenn Sie an Unterhaltungskünstler im Mittelalter denken, fallen Ihnen vielleicht als erstes die Hofnarren oder Gaukler als Spaßmacher des Mittelalters ein. Oder darf es etwas Seriöseres sein? Wie wäre es mit den deutschen Minnesängern oder den französischen Troubadours? Gleich, welche Musiker, Sänger, Dichter oder Schausteller Ihnen vorschweben, sicher finden Sie den einen oder anderen in diesem Beitrag. Denn für meinen dritten historischen Roman der Northumbria-Trilogie brauchte ich mehr Informationen darüber, welche Künstler im Mittelalter in England unterwegs waren, und da gab es eine ganze Menge: Vorhang auf für Scop, Gleoman, Menestral, Jugleur und ihre Kollegen!
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Wer waren die Unterhaltungskünstler im Mittelalter?
Beim Mittelalter denken viele Menschen an dunkle Zeiten, doch wenn man sich die Liste an Bezeichnungen für Unterhalter im (Anglo-)Normannischen und Altfranzösischen im englischen Mittelalter ansieht, dann könnte man sich fast in der Programmliste moderner Fernsehersender wähnen, bei der man vor lauter Auswahl nicht mehr weiß, was man eigentlich sehen will.
Vor allem Musik war im Mittelalter nicht nur in der Kirche und im Kloster, sondern auch bei Festen, Feiern und anderen Anlässen ein essentieller Teil des Lebens. Seit der Antike gehörte Musik zu den so genannten Artes liberales, den sieben freien Künsten, die zum Grundwissen eines jeden gebildeten Menschen gehörten. Diese wurden in das Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und das Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik) aufgeteilt.
Dieser Lehrplan galt noch im Mittelalter für die universitäre Ausbildung einer gesellschaftlichen Elite, doch auch das gemeine Volk bekam regelmäßig seine Dosis an musikalischen und sprachlichen Lektionen, und zwar durch die Unterhaltungskünstler des Mittelalters, die teils fest angestellt, teils umherziehend Wort und Musik verbreiteten. Doch sie sind nicht einfach nur Sänger und Musiker, sondern verfügen über ein breites Unterhaltungsrepertoire, das sich in ihren Berufsbezeichnungen widerspiegelt.
Mehr als nur Musiker – die breite Vielfalt der Unterhaltungskünstler im Mittelalter
Hier sind sie also, die Stars der mittelalterlichen Unterhaltung, wie wir sie in der Literatur des Mittelalters vorfinden. Sie beinhalten Geschichtenerzähler, Sänger, Musiker, Hofnarren, Spaßmacher, Akrobaten, Jongleure, Schauspieler, Dompteure, Zauberer und Puppenspieler – ein Variété-Theater an Künsten, die im Englischen seit dem 13. Jahrhundert größtenteils unter dem Oberbegriff des Minstrels zusammengefasst wurden.
Auf englischer Seite gab es im Mittelalter beispielsweise die folgenden Künstler:
- Gleoman – entsprach dem normannischen Menestral und Jugleur – und Gliewmeden (für Frauen): Musiker und Sänger, Spielmann
- Scop: am Hof angestellter Dichter, Sänger und Musiker
- Minstrel
- Jester
- Geogelere und die weibliche Form Wifgeogelere: Magier/Zauberer, Gaukler
- Tumbler
- Mummer
- Musician, insbesondere nach ihren Instrumenten bezeichnet, wie etwa Harper, Piper, Luter, Trumpeter oder Fiddler
- (Town) Wait
- Fool/Buffoon
Diese wurden ergänzt durch den keltischen Bard und den skandinavischen Skald.
Die Normannen hielten ihrerseits unter anderem dagegen mit diesen Bezeichnungen:
- Menestral und für Frauen Menestrale (mit der doppeldeutigen Bedeutung von Musikerin/leichtes Mädchen): Musiker und Dichter
- Jugleur und Jogleresse (für Frauen): Musiker, Jongleur, Gaukler, Spaßmacher
- Musicien, insbesondere Harp(o)ur, Estiveor (eine Art Flötenspieler), Taboureur
- Gestour
- Disour
- Acrobate
- Danseur
- Conjureur
- Dompteur
Diese wurden ergänzt durch kontinentalfranzösische Troubadours und Trouvères.
Zu den gängigen Bezeichnungen, unter denen die Unterhaltungskünstler des Mittelalters in den lateinischen Texten auftauchten, zählten Histrio, Joculator/Ioculator, Mimus, Ministrellus oder auch Scurra. Aus Deutschland kannte man schließlich noch Minnesänger, Meistersänger und ganz allgemein Spielleute wie Gaukler, Narren und Musiker.
Alle genannten Unterhaltungskünstler detailliert vorzustellen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Stattdessen möchte ich mich auf diejenigen konzentrieren, die für das Umfeld und den historischen Hintergrund meines Romans eine Rolle spielten. Weitere Informationen, auch über England hinaus, finden sich am Ende dieses Beitrags.
Einzelvorstellungen der Unterhaltungskünstler im Mittelalter
Scop
Der altenglische Scop ist in England so etwas wie die Mutter aller Künstler im Mittelalter, ein Dichter und (Hof-)Sänger, der wie der altnordische Skald bereits weit vor dem 11. Jahrhundert alte Legenden rezitiert und neue erschafft. Mit dem Skald teilt er auch seine thematische Vorliebe für Helden und Götter, während sich die südlicheren Sänger, die insbesondere in Frankreich und Deutschland erst viel später auftraten, vor allem dem Besingen von Liebe und ritterlichen Taten widmeten.
Der Scop bewahrte nicht nur die mündliche Geschichte und heroische Tradition seines Volkes, sondern trug auch zur Verbreitung des Ruhmes und des Ansehens seines aktuellen Herrn bei, indem er neue Lieder komponierte, die seinen Gönner und dessen Familie verherrlichten.
Im Allgemeinen trug er seine Geschichten in der großen Halle vor seinem Herrn und dessen Gästen vor und begleitete sich oft auf der Harfe, dem traditionellen Instrument der angelsächsischen Sänger. Er schöpfte dabei aus einem reichhaltigen Repertoire auswendig gelernter Geschichten germanischer Helden, passte sie, falls notwendig, mittels formelhafter Wendungen an oder entwickelte aus dem Stegreif neue Passagen.
Im Gegensatz zu den Werken späterer Dichter waren die Gedichte der Scopas formell und düster, durchzogen von einem Fachvokabular, das gehobener und älter war als die Alltagssprache. Nach der Bekehrung des altenglischen Volkes zum Christentum, die Ende des 7. Jahrhunderts abgeschlossen war, begannen die altenglischen Dichter, sich in ihren Liedern thematisch und sprachlich auch mit der neuen Religion zu befassen.
Dass die Scopas nicht unbedingt nur traditionelle und/oder ernste Inhalte verbreiteten, lässt die Bedeutung des Wortes Scop und seiner verwandten germanischen Begriffe skopf/scoph und skop erahnen, die nicht nur den Dichter selbst sowie seine Gedichte und weltlichen Dichtungen bezeichnen, sondern auch für Spötter, Spaßmacher, Spott und Beschimpfung stehen. Wer Geschichten erzählt, dem haftet automatisch auch der Vorwurf der Lüge an.
Bard
Der Barde ist thematisch und sprachlich gesehen das keltische Äquivalent des angelsächsischen Scop und des altnordischen Skald. Im Gegensatz zum angelsächsischen Pendant galten Barden jedoch als eigenständige Klasse mit erblichen Privilegien, wie etwa Steuererleichterungen und Befreiung vom Militärdienst, und genossen in ganz Irland und Wales hohes Ansehen bei Volk und Adel. Nicht nur Könige und Clan-Häuptlinge schmückten sich gegen Geschenke mit den Diensten der Barden, sondern auch Klöster beschäftigten mitunter einen Sänger, der Genealogien und Geschichte bewahrte, bis irgendwann die ersten schriftlichen Aufzeichungen in Form von Manuskripten erfolgten. Der Barde war zuverlässige Informationsquelle, Bote und Nachrichtenüberbringer.
Menestral
Der König der Unterhalter im normannisch besetzten England war der Menestral, der wie sein angelsächsischer Vorgänger als professioneller Sänger und Musiker fremde und eigene Legenden, Heldensagen und Erzählungen über ruhmreiche Taten alter Könige und Krieger in der großen Halle vor König, Edelmann und Gästen zum Besten gibt. Neben der Harfe begleiten auch Laute, Fiddel oder Flöte seine Lieder. Der Menestral bewahrt und verbreitet die Tradition und das Wissen einer mündlichen Gesellschaft.
Anders als sein vielseitig begabter, aber lange nicht so berühmten Begleiter, der Jugleur, ist der Menestral hochangesehen und gut bezahlt. Oft ist er fest angestellt in Adelshäusern mit freier Kost und Logis, doch findet man ihn mangels dauerhafter Mäzene auch als wandernden Unterhalter, der dann gezwungenermaßen auch für das gemeine Volk Geschichten und Balladen erfindet, Volkserzählungen verbreitet oder Neuigkeiten weitergibt.
Der Begriff Menestral ist aber nicht nur die Berufsbezeichnung für Sänger und Musiker, sondern umfasst im Gegensatz zum Scop auch andere Unterhalter, so die Jugleurs – die Gaukler, die eigentlich alles konnten, von Singen und Rezitieren von Gedichten/Chansons de geste/Lais/Fabliaux über Musizieren, Tricksereien und Tierdressur bis hin zu Feuerschlucken/-spucken, Tanzen und Narretei –, Akrobaten, Zauberer, Spaßmacher, Narren und ähnliche. Gerade in dieser letzten Rolle als Narr und Spaßmacher oblagen dem Menestral wichtige Aufgaben in Kriegszeiten – siehe unten unter Jester/Fool.
Wie bei den Angelsachsen konnten im normannischen England auch Frauen Menestrale werden, wobei ihnen bei der Ausübung ihres Berufes oft der Beigeschmack der Ruch- und Sittenlosigkeit anhing, im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen.
Getreu der Herkunft des Wortes vom lateinischen ministerialis, einer Verkleinerung von minister „Diener, Untergebener“, arbeitete der Menestral außerhalb der Unterhaltungszeiten wie etwa Weihnachten oder Festen wie ein normaler Angestellter, indem er die Hunde beaufsichtigte oder auf den Markt fuhr, um dort Proviant für seinen Herrn zu besorgen.
Nach der normannischen Eroberung trat der Menestral zunehmend mit weiteren Unterhaltungskünstlern anlässlich von sich häufenden Feiern und Festen auf, um die Unterbrechungen zwischen den Erzählungen und Gesängen des Menestral zu überbrücken. So kombinierte man Musik und Gesang oft mit einem Theater- oder Mimenspiel, und wenn die Gäste schon etwas angeheitert waren, sang der Menestral statt über Heldentaten über deftige Abenteuer im Sinne der Fabliaux.
Minstrel
Aus dem anglonormannischen Menestral entlehnt entstand im Mittelenglischen der Begriff des Minstrel, der ebenfalls ein Überbegriff für die verschiedensten Arten der Unterhaltungskünstler ist. Wie der angelsächsische Scop vor der normannischen Eroberung ist auch der Minstrel ein professioneller Darsteller und umfasst neben den Jongleuren, Akrobaten und Geschichtenerzählern insbesondere auch weltliche Musiker, die sich selbst auf einem Instrument begleiten.
Anders als der Scop, Skald oder Bard, die ausschließlich auf Geschichtenerzählen und Musik beschränkt waren, wurde der Begriff Minstrel bereits im 11. Jahrhundert auf eine Reihe unterschiedlicher Unterhaltungskünstler angewandt, die Künste wie Gesang, Akrobatik, Zauberei, Jonglage, Geschichtenerzählen, Tierdressur und Witzeerzählen beherrschten.
Im 12. Jahrhundert reiste die überwiegende Mehrheit der Minstrel auf der Suche nach Mäzenen sowie Auftrittsmöglichkeiten auf Jahrmärkten, Festen und Märkten weit herum. Sie kannten sie sich daher im Land gut aus und waren hervorragende Boten und Quellen für Nachrichten.
Einen Gönner zu finden, schien gar nicht so schwer zu sein, denn es gibt Belege, dass Spielleute nicht nur an den großen Höfen, sondern nach und nach auch in Ritterhaushalten fest angestellt waren. Bis zur Regierungszeit von Edward I (1272) berichtet Bischof Swinfield of Hereford, dass es kaum einen Gutshof gibt, den er besucht hat, wo es nicht mindestens einen festen Harfenspieler gibt.
Dass diese fest beschäftigten Spielleute zwischendurch noch auf Wanderschaft gingen, um ihr Einkommen aufzubessern, zeigen die Aufzeichnungen für Durham Abbey und dessen Gutshäuser, die zwischen 1278 und 1395 hunderte von Besuchen durch Spielmänner, insbesondere zu den großen Festen, verzeichneten. Viele werden pauschal als Histriones bezeichnet, aber bei den namentlich Genannten liest man, aus welchen Städten oder Haushalten sie stammten, darunter 32 vom königlichen Hof, 8 vom schottischen König, 46 von Lords, 12 von Bischöfen, 8 sind Stadtsänger, und nur etwa ein Dutzend scheinen tatsächlich fahrende Sänger ohne festen Sitz zu sein.
Mit der Zeit entwickelten sich die Spielleute an adeligen Höfen zu Hofnarren, während ihre herumwandernden Kollegen in bunten Kleidern bis in die Renaissance das gemeine Volk mit ihren Auftritten erfreuten.
Troubadour/Trouvère
Mittelalterliche Troubadoure provenzalischen Ursprungs bzw. die Trouvères, deren nordfranzösische Äquivalente, waren Dichter und Sänger, deren Lieder meist nicht von einem Instrument begleitet wurden und die von Dorf zu Dorf zogen, teils auch über die Landesgrenzen hinaus in andere europäische Großstädte. Thema der Troubadoure waren die höfische Liebe (fin’amors), nicht Gesänge über Heldentaten, alte Legenden und große Schlachten.
Im Gegensatz zu Spielleuten waren Troubadours typischerweise für längere Zeit an einen Hof gebunden, wo sie nicht nur unterhaltsame Lieder schrieben und vortrugen, sondern auch Loblieder und Schmeicheleien auf ihre Mäzene und Mäzeninnen sangen. Sie sahen sich als Musiker und Dichter und hätten sich nie auf das teilweise sehr niedrige Unterhaltungsniveau der königlichen Hofunterhalter begeben, wie etwa Roland le Pettour, Hofnarr von Heinrich II., der zu Weihnachten als Gegenleistung für 30 Ar Land springen, pfeifen und pupsen musste.
Jugleur
Jugleurs fungierten hauptsächlich als Lehrlinge oder Assistenten von Troubadour oder Menestral und waren hauptsächlich in Nordfrankreich und im normannischen England anzutreffen. Sie sangen Verse und führten verschiedene Kunststücke auf, darunter Jonglieren, Feuer schlucken, Akrobatik, Tanzen, Scherzen/Rätseln, Tierdressur und Zaubern, um alle Arten von Publikum zu unterhalten. Im Gegensatz zum Menestral wurden Jugleurs weder hoch angesehen noch entsprechend bezahlt, vermutete man in ihnen doch Herumtreiber und Taschendiebe.
Jugleurs übten ihr Gewerbe an öffentlichen Orten wie Märkten, Abteien und Schlössern aus, die sich im Besitz von Aristokraten befanden, die sie manchmal fest anstellten und zu Spielmännern beförderten. Ab diesem Zeitpunkt widmeten sie sich dann eher dem Singen von Balladen und dem Komponieren ihrer eigenen mittelalterlichen Musik und Poesie als der allgemeinen Unterhaltung. Unter anderem rezitierten sie literarische Werke wie die Chansons de geste, Lais, Fabliaux und metrische Romanzen, die sie manchmal selbst komponierten.
Jester/Fool
Während der Spielmann seine Laute zupfte, trieb der (weise) Hofnarr am königlichen Hof seine Späße mit den Gästen, jonglierte oder erzählte unzüchtige Witze. Dabei trug er farbenfrohe Kostüme und insbesondere das wohl berühmteste Teil seiner Kleidung: den aus drei Spitzen bestehenden Hut, der als Narrenhut bekannt war. Normalerweise war der Kopf aber einfach mit einer Kapuze ähnlich der an einer Mönchskutte bedeckt.
Auch wenn der Narr für Unterhaltung und Gelächter am Hof sorgen sollte, so war das Leben eines Narren selbst nicht immer ein Spaß. Wenn der Hofnarr seine großzügige Redefreiheit überstrapazierte und mit seinen Kommentaren oder Scherzen zu weit ging oder diese ihre Wirkung, etwa den König in schlechten Tagen aufzuheitern, verfehlten, konnte er durchaus mehr als nur seinen Job verlieren.
Im frühen Mittelalter als persönlicher Spaßmacher eines Königs oder Adligen ausgewählt zu werden, konnte außerdem bedeuten, dass der Hofnarr in Kriegszeiten mit in die Schlacht ziehen und in die psychologische Kriegsführung eingreifen musste: einerseits die Stimmung im eigenen Lager durch Späße und aufmunternde Geschichten und Lieder zu heben, andererseits die Moral des Gegners durch Schmähungen, Verhöhnen und sichtliche Provokationen zu schwächen. So ging oder ritt der Narr also zwischen den eigenen Rittern und vor den feindlichen Reihen herum, machte Scherze, stimmte zotige und beleidigende Lieder an, jonglierte mit Schwertern oder Lanzen vor dem Gegner und reizte die Feinde mit Worten so lange, bis diejenigen mit dem heißesten Gemüt die Geduld verloren und vorzeitig angriffen, um die Beleidigung zu rächen und den Narren zu töten – und gleichzeitig ihre eigene Verteidigungsposition durch Aufbrechen der Reihen schwächten.
Doch selbst wenn der Hofnarr die Schlacht überlebte, war die Gefahr für ihn noch nicht vorbei. Schließlich musste irgendjemand möglicherweise Botschaften zwischen den betroffenen Kriegsparteien hin- und herbringen, etwa Aufforderungen zur Kapitulation in Belagerungssituationen oder Bedingungen für die Freilassung von Geiseln. So mancher närrischer Bote verlor dabei im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf.
Mummer
Im hohen und späten Mittelalter entwickelte sich der Mummer, ein Amateurschauspieler, der mit teilweise abenteuerlicher Verkleidung und Maske in Theaterstücken auftrat. Diese meist komischen Aufführungen fanden normalerweise in Dörfern zur Erntezeit oder bei religiösen Anlässen, etwa Weihnachten, in offenen Räumen mit einer Bühne für die Darsteller statt. Manchmal luden Adlige oder Könige dazu aber auch auf ihr Schloss.
Neben religiösen Themen behandelten die Theaterstücke populäre Legenden, wie zum Beispiel „Der Heilige Georg und der Drache“ oder „Robin Hood“.
Die Mummer schlossen sich schließlich zu Gruppen von Schauspielern mit speziellen Fähigkeiten zusammen, die im Land umherreisten. Eine solche Mobilität erregte im Mittelalter grundsätzlich Aufsehen und Misstrauen, und so hielt man auch die Mummer oft für Vagabunden und Diebe, die Probleme machten und Dinge stahlen und dann in die nächste Stadt oder das nächste Dorf verschwanden.
(Town) Waits
Mit dem Entstehen großer Städte konnten Spielleute, die keine adligen Gönner hatten, als Waits, Stadtsänger, arbeiten. Für ein kleines Gehalt standen sie dazu auf Abruf für Paraden, Veranstaltungen und Theaterstücke bereit. Man konnte sie auch privat für Hochzeiten und Beerdigungen anheuern. Town Waits beherrschten sowohl laute Instrumente wie Trompeten und Shawms als auch leise wie Harfen, um die unterschiedlichen Veranstaltungen gebührend begleiten zu können.
Welche Instrumente spielten die Unterhaltungskünstler im Mittelalter?
Das typische Instrument des Scop war die Harfe, fahrende Sänger waren traditionell mit der Leier unterwegs, der normannische Menestral bevorzugte die Laute, und seinen Begleiter, den Jugleur, sah man normalerweise mit einer viele, einer Fiedel, die auf der Brust, der Schulter oder dem Knie mit einem Fiedelbogen gespielt wurde. Daneben gab es (im Verlauf der Jahrhunderte) eine ganze Palette an Holz- und Saiteninstrumenten, Flöten, Pfeifen, Zimbeln, Tasteninstrumenten sowie verschiedene Trommeln oder auch Handglocken (Glockenspiele), die mit zwei Hämmern angeschlagen wurden, mit denen Spielleute Musik machten und/oder ihren Gesang begleiteten.
Anders als im frühen Mittelalter, wo der Scop und seine Kollegen als zentraler Unterhaltungspunkt die volle Aufmerksamkeit des Publikums genossen, mussten vor allem fahrende Sänger und Musiker oder solche ohne Mäzen sich im Laufe der Zeit mit Hintergrundauftritten begnügen, etwa wenn sie an einem Adelshof im Gottesdienst als Organist oder Kapelle die Gesänge des Priesters und der Gemeinde begleiteten, wenn sie auf dem Boden oder dem Tisch sitzend das Hereintragen und Servieren der Speisen musikalisch untermalten, nach dem Essen die Gäste mit Tanzmusik verwöhnten oder auch bei Hochzeiten und Festen für angemessene Klänge sorgten.
Wo traten die Unterhaltungskünstler im Mittelalter auf und was verdienten sie?
Wie oben schon unter den einzelnen Künstlern erwähnt, gab es einerseits Festangestellte an adligen Höfen – am Königshof gab es teilweise bis zu drei Minstrel – oder auch in Klöstern, andererseits wandernde Künstler, die von Ort zu Ort und von Gutshof zu Gutshof zogen, sich auf Märkten und bei Veranstaltungen, wie etwa Turnieren, tummelten oder gegen Kost und Logis sowie eine Bezahlung in den klösterlichen Gästehäusern ihre Dienste anboten.
Scop, Minstrel und ihre Kollegen bewahrten und überlieferten Geschichten, alte Erzählungen und Genealogien, priesen ihre Gönner am Hof und unterwegs als weise, großzügig, tapfer und edel und unterhielten alle Stände vom König bis hin zum niedrigsten Sklaven mit Gesang, Musik, Tanz und anderen künstlerischen Darbietungen. Normalerweise wurden sie gerne empfangen, erhielten Essen und Unterkunft und je nach Anlass und Publikum sogar noch eine Bezahlung dazu. Ganz besonders lohnte es sich für Spielleute, einen hochrangigen Patron zu haben, da dessen Name ihnen Zutritt zu Klöstern, Burgen, Schlössern, Gutshäusern und Stadthallen sowie Rathäusern verschaffte. Je angesehener ihr Herr war, umso eher ließ man sie dort ein und umso höher war vor allem die Entlohnung, die sie erhielten.
Meist reiste der Minstrel alleine, manchmal zu zweit, im Falle von hochrangigen Gönnern sah man auch Gruppen von drei, vier oder mehr Musikern. Gerade am Anfang der normannischen Herrschaft in England mussten fahrende Sänger mindestens zwei Sprachen sprechen, nämlich (Anglo-)Normannisch – später auch Alt-/Mittelfranzösisch – und Englisch, und ein entsprechendes Repertoir an Liedern und Erzählungen vorweisen können. So werden sie die germanischen und angelsächsischen Erzählungen von Göttern, Königen und Helden ebenso beherrscht haben wie das Rolandslied, die Artussage sowie frühe Versionen der Tristanlegende.
Wie war ihre Stellung in der Gesellschaft?
Eigentlich waren die Künstler gern gesehen, doch insbesondere im Anglonormannischen bzw. Altfranzösischen waren Menestral und Jugleur oft Synonym für Lügner, Betrüger, Beschwörer, Räuber, Dieb, Verbrecher, bei Frauen auch Schlampe und Hure – Assoziationen, auf die man in der frankophonen Gesellschaft hinsichtlich der Troubadours und Trouvères niemals gekommen wäre.
Besser geht es da dem altenglischen Scop, ebenso dem Barden und dem Skald, die alle eine hohe Stellung am Hof und in der Gesellschaft genossen. Aber auch die anderen Unterhalter hatten bei weitem nicht den schlechten Ruf, der ihnen in Frankreich folgte.
Dieses Problem stammt vor allem daher, dass schriftliche Aufzeichnungen meist von Kirchenvertretern stammen, denen die Tricks, Verrenkungen und Zaubereien der Gaukler und Schausteller mehr als suspekt waren. Diese Verurteilung durch die Kirche führte schließlich dazu, dass die teuflischen körperlichen Darbietungen der Künstler mehr und mehr in den Hintergrund rückten und der reinen Musik und dem Gesang mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde – quasi eine Rückkehr zu den Wurzeln des Scop, des Sängers und Musikers.
Gab es berühmte Unterhaltungskünstler im Mittelalter?
Oh ja, und zwar bereits eine ganze Reihe auf der britischen Insel und in Frankreich, lange bevor sich deutsche Minnesänger wie der von Kürenberg, Heinrich von Morungen, Hartmann von Aue und vor allem Walther von der Vogelweide und schließlich Neidhart ab Mitte des 12. Jahrhunderts ein Stelldichein an adligen Höfen gaben.
Berühmte Barden stammen vor allem aus Wales. Der früheste unter ihnen war Taliesin aus dem 6. Jahrhundert, von dem das Book of Taliesin stammt. Der bedeutendste ist Dafydd ap Gwilym, ein walisischer Dichter des 14. Jahrhunderts. Auch aus dieser Zeit stammt Iolo Goch, der dritte berühmte Barde im Bunde, der als Meister der metrischen Form Cywydd geschätzt war.
Namentlich überlieferte Hofnarren sind uns vor allem von normannischer Seite bekannt. Wilhelm I. hatte über das ganze 11. Jahrhundert verteilt drei Hofnarren, die schriftlich verewigt wurden.
- Der erste, Goles genannt, warnte den jungen Wilhelm 1046 vor einem Attentat, als dieser noch Herzog der Normandie war.
- Der zweite namens Taillefer hatte die oben bereits erwähnte unglückliche Aufgabe, vor der Schlacht von Hastings Wilhelms Männer zu ermutigen und die Feinde zu verhöhnen. Todesmutig stürzte er sich dazu auf die Feinde, obwohl es ihm als niederrangigem Mann, zumal als Narr, verboten war, vor Übergeordneten gegen den Feind vorzurücken. Er lebte allerdings nicht mehr lange, um die Ehre des ersten Schlags zu genießen, denn er wurde bei seinem unvorsichtigen Angriff von den Angelsachsen zerstückelt.
- Berdic, der dritte Narr, erschien sogar im Domesday Book als joculator regis (the king’s jester) und besaß wohl ein wenig Land in Gloucestershire.
Auch am Hof von Wilhelms Sohn, Wilhelm II. (William Rufus), gab es berühmt-berüchtigte Hofnarren: einen Robert, der aufgrund seiner extravagenten Schuspitzen den Spitznamen Cornadus (Gehörnt) erhielt, sowie einen Scurra (Hofnarr/Parasit) namens Rahere, der sich an den Höfen der hohen Tiere durchfraß und Skandale verursachte oder verbreitete.
Deutlich mehr Raffinesse, die nicht oft mit Macht und immer mit hohem Ansehen gekoppelt war, zeigten sich da die kontinentalfranzösischen Troubadours, zu denen viele berühmte und einflussreiche Männer des Mittelalters gehörten. Zu den bekanntesten zählen unter anderem Guillaume IX., Ur-Troubadour und Großvater von Aliénor d’Aquitaine, die als Ehefrau des französischen Königs Louis VII bzw. später des englischen Königs Heinrich II. selbst eine Patronin der Künste war, aber auch Aliénors Sohn Richard Löwenherz sowie dessen Hofsänger Blondel the Minstrel, der eigentlich Jean de Nesle hieß und ein nordfranzösischer Trouvère war.
Zwischen all den Männern sind ab und an auch einige Frauen dokumentiert, etwa eine joculatrix namens Adelinda, die von ihrem Gönner Earl Roger ein wenig Land erhielt, oder auch Mathurine la Folle, die als Hofnärrin am französischen Hof angestellt war.
Was haben uns die Unterhaltungskünstler des Mittelalters hinterlassen?
Vieles und doch auch recht wenig. Während die Sänger, Musiker und Spaßmacher im Mittelalter zwar im echten Leben wichtig, (zumeist) beliebt und präsent waren, findet man sie selten in der Literatur jener Zeit. Hie und da gibt es offzielle Einträge mit Namen, Berufsbezeichnungen, der Anzahl und gegebenenfalls den Besitztümern. Kirchenvertreter nennen den Menestral und seine Kollegen in ihren Schriften meist, wenn sie über deren lose Sitten herziehen wollen. In Geschichten sorgen sie für den musikalischen Hintergrund der eigentlichen Erzählung, aber wirklich prominent sind sie fast nie.
Ich sage fast, denn es gibt tatsächlich ein altenglisches Gedicht von und mit einem Scop namens Widsith. Dieser erzählt im gleichnamigen altenglischen Text in der typisch schwermütig-formalen Weise über seine weitschweifenden Reisen, die unzähligen Könige und Edelmänner, denen er gedient hat und deren Namen er kennt, sowie die Einsamkeit des fahrenden Sängers.
Mit der zunehmenden Miskreditierung durch die Kirche gerieten Scop, Menestral und ihre Gehilfen und Kollegen bald ins Abseits. Ihre Zahlen schwinden, viele erleben das Ende des Mittelalters nicht mehr. Doch sie haben uns ein reichhaltiges künstlerisches Programm hinterlassen, das sich von Gesang und Musik über darstellerische, akrobatische und schauspielerische Leistungen bis hin zu witzigen und im wahrsten Sinne des Wortes verzaubernden Vorstellungen zieht und das wir heute noch genauso schätzen wie unsere Vorfahren damals im Mittelalter.
Bibliographie/Referenzen
John Southworth: The English Medieval Minstrel, Woodbridge (Boydell Press) 1989
Danièle Cybulskie: Life in Medieval Europe. Fact and Fiction, Barnsley 2019
Widsith | Old English Poetry Project | Rutgers University
minstrel | Definition, History, & Facts | Britannica
Ménestrel > Iles Britanniques médiévales
Medieval Minstrels: History & Significance | SchoolWorkHelper
Troubadour | medieval lyric poet | Britannica
Medieval Minstrels: History & Traveling Thespians
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