Wie aus der Ausschreibung eines Verlags ein Einzelband, eine Trilogie und eine Vorgeschichte entstanden – erfahren Sie in diesem Beitrag alles über die wenig geradlinige Geschichte der Northumbria-Trilogie!
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Eine Idee wächst
Verfeindete Nationen, Jugendliche beim Schwertkampf, ein mittelalterlicher Hintergrund und eine Geschichte um Teenager von Annodazumal – wie bin ich bloß darauf gekommen?
Inspiration
Früher inspirierten Göttersagen, Heldentaten, Legenden, die Bibel oder Heilige die Menschen zum Schreiben oder die Buchideen stammten von großen Herrschern bzw. den Vorstehern von Klostern, die ihre auserwählten Schreiber beauftragten, einen Text zu einem bestimmten Thema zu verfassen – meist zur eigenen Belobhudelung. Ähnlich ist es heute noch bei großen Verlagen, insbesondere bei Sachthemen.
Aber auch der breiten Masse stehen Inspiration und Aufrufe zur Verfügung, nämlich in Form von öffentlich ausgeschriebenen Schreibwettbewerben und Aufrufen für Kurzgeschichten oder anderen Beiträgen für Sammelwerke. So auch bei der Buchidee für meinen Debütroman Das bretonische Mädchen, der 2019 beim Fehnland-Verlag und später in überarbeiteter und erweiterter Form als Band 2 der Northumbria-Trilogie mit dem Titel Der zweite Sohn des Normannen erschien. Angefangen hat alles mit einer Ausschreibung zu einem völlig anderen Thema, nämlich „Teuflische Tiere, tierische Teufel“ vom Machandel Verlag.
Ausarbeitung
Das Grundgerüst der Geschichte stand schnell, aber es fehlte der Hintergrund, vor dem die ganze Geschichte spielen würde. Rainer Wekwerth, mein damaliger Schreibtrainer, fragte mich sofort, warum ich mit meiner Ausbildung nicht historische Romane schrieb. Damit war das Setting festgelegt: Eine mittelalterliche Kulisse sollte es also sein.
So entstanden die ersten fünfzig Seiten und schon bald lag das Manuskript für meinen Debütroman in der Rohversion vor. Das Problem, wenn man es denn so nennen konnte: Bei der Entwicklung der Hauptfiguren des Romans legte ich Rainer auch die Ausgestaltung von Oswulf vor. Mein Schreibmentor fand die Figur des Waffenmeisters für eine Nebenrolle viel zu schade, daher rief er mich an und sagte mir, dass Oswulf ein eigenes Buch verdient hätte.
Nun, Oswulf musste ein ganzes Buch lang warten, bis seine Geschichte geschrieben werden konnte, aber nun hatte ich schon zwei Bücher, die Fragen bei den Lesern aufwarfen.
Abschluss
Also musste ein dritter Band her für alle, die wissen wollten, wie es mit Roger, Gwennaol und den anderen weitergeht.
Doch dieser Abschlussband war immer noch nicht das Ende, denn viele Leserinnen fragten nach den ersten beiden Bänden immer wieder nach den Bretoninnen, die in den Büchern eine wichtige Rolle spielen. Nach der Fertigstellung des Manuskripts von Der Gesang des Gauklers überlegte ich mir daher, was wohl der Grund ihrer Reise gewesen war, der sie nach Wilburgfos getrieben hatte.
Wie in den Trilogie-Bänden ist auch in der Vorgeschichte die Hauptfigur ein junger Mann, der Bretone Loïc, der sich bald einer größeren Herausforderung stellen muss als nur der Bewährung auf dem Kampfplatz den anderen Knappen gegenüber.
Was jetzt immer noch offen ist, muss offen bleiben oder von der Fantasie der Lesenden selbst weitergesponnen werden, aber das Geschichtenerzählen wird natürlich weitergehen.
Historischer Hintergrund
Die Trilogie und ihre Vorgeschichte spielen allesamt im frühmittelalterlichen England in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts.
Zeitspannen in den einzelnen Romanen
Der Krieger des Königs spielt in den Jahren von 1066 bis 1071, kurz vor und bis fünf Jahre nach der normannischen Eroberung. Diese Jahre sind für König Wilhelm I. (William; Wilhelm der Eroberer) schwere Jahre gewesen, um seinen Machtanspruch durchzusetzen, und vor allem der rebellische Norden machte ihm in dieser Zeit große Sorgen – wobei es allerdings an der walisischen Grenze und auch in East Anglia nicht viel besser aussah.
Der zweite Sohn des Normannen spielt in den Jahren von 1086 bis 1088 um den Regierungswechsel von Wilhelm I. zu Wilhelm II. (William le Roux, William Rufus), also zwanzig Jahre nach der normannischen Eroberung.
Der Gesang des Gauklers spielt im Jahre 1093, mitten in der Regierungszeit Wilhelms II. Der rebellische englische Norden ist endlich unterworfen, aber der schottische König Malcolm fällt seit Jahrzehnten immer wieder in Northumbria ein und sorgt dafür, dass auch fast dreißig Jahre nach der normannischen Eroberung unruhige Zeiten in Nordengland herrschen.
Schauplätze der Romane
Nicht nur Lucan im dritten Band kommt viel herum. Die Schauplätze der Trilogie verteilen sich über ganz Northumbria: Im ersten Band folgen wir Oswulf von Ledlinghe (Leavening) nach Wilburgfos (Wilberfoss) in Eoforwicscire/Everwicscire (Yorkshire), im zweiten Band begleiten wir Roger in Wilburgfos und Everwic/Eoforwic (York) und im dritten Band reisen wir mit Lucan hin und her zwischen Bebbanburh (Bamburgh Castle) ganz oben nahe bei der schottischen Grenze, Wilburgfos und der Burg des reichsten Bretonen in der Geschichte Englands, Alain le Roux, in Hindrelagh/Riche Munt (Richmond), nördlich von Everwic.
Der Außenseiter: die Vorgeschichte
Auch Der Weg des Schwertes spielt zwar in derselben Zeit, nämlich dem Jahre 1070, allerdings viel weiter südlich, in Ostanglien und (noch) nicht in Northumbria. Das Land dort war gespalten in (normannische) Barone und angelsächsische Untergebene, die sich in regionalen Widerständen gegen die neuen Herren auflehnten. Insbesondere der Angelsachse Hereward (the Wake) und seine Verbündeten, zu denen später auch die Earls Morcar und Edwin gehörten, machten König William das Leben zur Hölle. Sie verschanzten sich auf ihrer Festung in Ely mitten in den undurchdringlichen Sumpgebieten Ostangliens.
Der Protagonist Loïc wächst am Rande des Marschlands auf und erlebt hautnah einen der Überfälle der Angelsachsen, der gewaltige Folgen für sein Leben und das seiner Familie hat.
Ist alles, was sich in dem Roman abspielt, historisch belegt?
Nein. Die Geschichte der Trilogie und sämtliche Hauptpersonen sind fiktiv und frei erfunden, aber Orte, historische Persönlichkeiten und der mittelalterliche Rahmen entsprechen den geschichtlichen Fakten, soweit sie herauszufinden waren.
Ledlinghe ist einer der wenigen Orte in Nordengland, der von den Verwüstungen durch König William, im Englischen als berüchtigtes „Harrying of the North“ bekannt, zumindest teilweise verschont wurde. Ein Großteil der Gegend in Yorkshire, Durham und Northumberland, also das gesamte alte Königreich Northumbria, wurde jedoch Opfer der königlichen Rachsucht und litt noch Jahrzehnte später unter den Folgen.
Im zweiten Band habe ich an einigen Stellen die historischen Gegebenheiten ein wenig an die Bedürfnisse der Geschichte angepasst. Beispielsweise habe ich das Gründungsdatum des Klosters in Wilburgfos vorverlegt. Eigentlich gab es das Kloster an dieser Stelle erst im 12. Jahrhundert. Den Knappen Walter Fossard musste ich ein wenig älter machen, weil ich nicht noch einen dritten Robert (nämlich seinen vom Alter passenden, historischen älteren Bruder) im Roman gebrauchen konnte.
In der Schreibstube plaudert der Hauptdarsteller Roger übrigens ein wenig aus seinem Leben. Schauen Sie doch mal bei ihm vorbei!
Lucan ist übrigens der Name eines der engsten Vertrauten von König Artus, der ihm neben Sir Bedevere als Letzter auf dem Schlachtfeld zur Seite steht.
Wie lange hat der Prozess von der Idee bis zum veröffentlichten Buch gedauert?
Grob gesagt habe ich für alle Romane im Durchschnitt anderthalb Jahre vom Anlegen der Datei bis zur Fertigstellung des Manuskripts (inklusive Lektorat) benötigt, den Umweg über die Verlagsveröffentlichung und Corona-bedingte Verzögerungen nicht miteingerechnet.
Die Kurzgeschichte lag – natürlich – etwas schneller vor, hat aber auch wegen unvorhergesehener Umstände – siehe oben – etwa ein halbes Jahr gebraucht.
Was die Titel betrifft, …
Vielleicht fragen Sie sich, was es mit dem zweiten Sohn des Normannen im Titel des zweiten Bandes auf sich hat? Nun, nicht nur Roger ist der zweite Sohn eines Normannen, der um sein Erbe kämpfen muss. Dieses Schicksal teilt er mit William le Roux, dem zweiten (überlebenden) Sohn von Wilhelm dem Eroberer, der es als zweiter normannischer König auf Englands Thron auch nicht viel leichter hatte als sein Vater oder Roger.
Und die anderen beiden Titel? Der von Band 1 weist auf Oswulfs Streben hin, ein Krieger des Königs zu werden. Bei Band 3 gefiel mir die Doppeldeutigkeit des Titels, der gleichzeitig Inhalt und Form des Buches zusammenfasst.
Noch Fragen?
Gibt es etwas, das ich vergessen habe und unbedingt noch beantworten muss? Schreiben Sie es in die Kommentare!