Im normannisch besetzten England des 11. Jahrhunderts prallen nicht nur Sprachen und Kultur aufeinander. Auch Gerüch(t)e verbreiten sich rasend schnell. Warum und mit welchem Ergebnis, lesen Sie im folgenden Beitrag.
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Wieso ist Englisch nicht untergegangen? Die Normannen waren doch viel kultivierter.
Die normannische Kultur und Sprache im 11. Jahrhundert als der englischen überlegen zu bezeichnen, ist mehr als gewagt. England hatte schon im 10. Jahrhundert eine kulturgeschichtliche Entwicklung inklusive literarischer, verschriftlichter Werke in der Landessprache hinter sich, von der viele andere Länder bzw. Völker Europas nur träumen konnten. Zu der Zeit waren die Normannen gerade dabei, ihren räuberischen Wikingerschuhen zu entwachsen.
Wie stark und unerschütterlich das Englische und die englische Kultur gegenüber dem normannischen Einfluss waren, zeigt sich letztlich daran, dass beide überlebt haben. Normannische und später auch französische Einflüsse wurden absorbiert, aber am Ende des Hochmittelalters setzt Englisch seinen Siegeszug in allen Bereichen des Lebens fort. Wäre die normannische Kultur überlegen gewesen, wäre vielleicht heute eine Version des Französischen die Weltsprache Nummer 1.
Keine Nachrichtensendungen, kein Fernsehen, Radio, Internet – woher wussten die Leute, was los ist?
Diskretion ist im doppelten Sinne ein Fremdwort für die damalige Zeit. Gerade das frühe Mittelalter kannte überhaupt keine Privatsphäre. Ab dem 12. Jahrhundert nahm die Zahl der Gutshäuser mit abgetrennten Privatgemächer für die Herrschenden zu. Bis dahin lebten, arbeiteten und schliefen alle unter einem Dach im selben Raum. Alle bekamen alles mit — wirklich ALLES, auch die intimsten Betätigungen und Geräusche. Das klingt wie ein Albtraum für uns, aber die Menschen damals kannten es nicht anders.
Im öffentlichen Raum verbreiteten Nachrichten sich vielleicht langsamer als heute, aber der König und der höhere Adel waren darauf angewiesen zu wissen, was im Reich und auf ihren jeweiligen Besitztümern vor sich geht, zumal die Regierungszeit von Wilhelm dem Eroberer in England viele Jahre und immer wieder von Krisen erschüttert wurde. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Adlige über ein relativ weit gestreutes Gebiet Gutshöfe hatten, die sie alle irgendwie übersehen mussten. Ein gut funktionierender Nachrichtendienst mittels Boten und Kundschafter lag daher im Interesse der bedeutenden Fürsten.
Mitteilungen wurden oft mündlich, vor allem aber bei wichtigen klerikalen oder herrschaftlichen Angelegenheiten auch schriftlich (mit Siegel!) verschickt. Überbracht wurden sie nicht notwendigerweise von hauptberuflichen Nachrichtenvermittlern. Für weniger bedeutende Ereignisse reichte es auch, den nächstbesten Händler, fahrenden Sänger oder Kleriker, notfalls gegen Bezahlung, zu beauftragen, der in die gewünschte Richtung reiste.
Große Städte müssen es im Mittelalter viel besser gehabt haben – ohne den ganzen Verkehr, die Abgase, Plastikmüll, Kippen, Kaugummis, …
In einer mittelalterlichen Großstadt hätte ich trotzdem nicht leben wollen. Natürlich war die Gefahr bei Nacht überall gleich, da nach Sonnenuntergang ohnehin nur noch Diebe, Räuber und Betrunkene unterwegs waren.
Insbesondere in den großen Städten gab es jedoch auch tagsüber Ecken, die man um jeden Preis vermied, wenn man nicht unbedingt dorthin oder da durch musste. Dazu gehörten beispielsweise das Gerberviertel, also dort wo Tierhäute nach Abschabung von Fleisch- und Fettresten mittels Kalkmilch, Urin, Tierkot und verschiedensten Gerbmitteln zu Leder verarbeitet wurden, oder die Fleischmärkte, wo der Boden nach dem Markt übersät war mit fauligen Resten, Unrat, Abfall und Knochen.
Auch andernorts stank es wegen fehlender Hygiene, Kanalisation, sanitären Anlagen etc. oft zum Himmel. Und weil Städte schön eng gebaut waren, konzentrierte und hielt sich der Gestank besonders gut.
Haben Sie Lust, in diese Zeit einzutauchen?
Dann folgen Sie Oswulf, Roger und Lucan ins England des 11. Jahrhunderts.